Eine Dame an der Orgel

Als Virtuosin in den Adelsstand erhoben

Die international berühmte Orgelvirtuosin Gillian Weir gab in der Roggenburger Klosterkirche ein exquisites Konzert. Auf höchstem Niveau eröffnete sie die Konzertreihe des Vereins der Freunde des Klosters Roggenburg.

Die Neuseeländerin Gillian Weir gehört zu den bekanntesten Organistinnen der Welt. 1996 wurde sie von der englischen Königin in den Stand der „Dame Commander of the Order of the British Empire” erhoben.

Mit Antonio Valentes apart registriertem „Lo Ballo del'Intorcia” begann sie auf der kleinen Chororgel, und mit der „Humoresque”' von Pietro Yon endete der erste Teil, wobei drei Werke von Scarlatti, Pachelbel und Frescobaldi den ganzen Klangreichtum der Chororgel ausloteten.

Nach dieser barocken Einstimmung kamen die „großen Brocken”: An der 1986 restaurierten Hauptorgel mit dem Bergmüller-Prospekt aus dem Jahr 1751 begann Gillian Weir mit César Francks „Final in B”, einem sich aus der Feuerwehr-Quart entwickelnden Stück, das sich dem Virtuosenrepertoire geradezu anbietet und noch mit Achtung ein „Reißer” genannt werden kann. Das ausladende und klangprächtige Werk bewies erneut den untrüglichen Instinkt Francks beim Gebrauch der Farbkontraste der Orgel. Anschließend Arnold Schönbergs einziges Orgelwerk, die „Variations on a Recitative” op. 40, eine von emotionaler Tiefe geprägte Komposition, deren Zwölfton-Struktur auf der Orgel heute kaum noch schockiert. Den Wechsel von Zärtlichkeit und Leidenschaft, der diese Variationen bestimmt, kam in der Wiedergabe durch Gillian Weir eindrucksvoll zur Geltung. Ein virtuoses Scherzo von Maurice Duruflé besaß einen Anflug impressionistischer Farbgebung und wurde hinreißend gespielt.

Jean Francaix porträtiert in seiner „Suite Carmelite” auf köstliche Weise Ordenssehwestern: die ergebene Soeur Blanche, die flinke Soeur Mathilde, nicht zu vergessen die maestoso auftretende Mère Marie de Saint-Augustine. Unter den Händen von Gillian Weir wurde daraus ein witziges Kompendium von Charakteren. Mit „Naiades” und der Toccata aus der Sammlung „Pièces de Fantaisie” von Louis Vierne ging ein Konzert zu Ende, in dessen Mittelpunkt die Registrier- und Spielkunst von Gillian Weir stand. Daß sie in der Roggenburger Klosterkirche auftrat, war angesichts ihrer diesjährigen deutschen Konzerttermine in München, Leipzig, Speyer und Frankfurt erstaunlich. Es gab begeisterten Beifall.

OLAF GÖÖCK, Südwest-Presse, 05.05.99

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